Erzählungen Gedanken Reiseberichte Sonstiges

Studienreise mit dem Adalbert Stifter Verein nach Südmähren – Sept. 2017

Brünn – Brno  Foto Wikipedia

Samstag, 3.09.

Mit der Bahn fahren wir über Bremen zuerst nach München, wo wir eine Nacht im Hotel Best Western Atrium verbringen, um am nächsten Morgen rechtzeitig am Lenbachplatz zu sein.

Das Hotel ist gut, das Frühstück sogar hervorragend. Der Weg führt allerdings durch eine  unangenehme Straße. Zahlreiche Bettler und bedrückende Gestalten fallen hier auf. Trotzdem gehen wir später noch einmal zurück zum Bahnhof, um unsere Mutter in Krailling zu besuchen. Das fröhliche Treffen belohnt die Mühe!

Sonntag, 4. 09.

An diesem Morgen beginnt die Reise um 8 Uhr in einem bequemen Reisebus, „Reisekutsche“ genannt. Der geschäftsführende Direktor empfängt die Reisenden. Dann fahren wir durch malerische Alpenregionen und nahe an Wien vorbei, bis wir in Klosterneuburg-Kierling eine längere Pause einlegen. In Kirling, in dem ehemaligen „Sanatorium Hoffmann“, verbrachte Franz Kafka (1883 – 1924) seine letzten Lebenstage. Das alte Gebäude wird jetzt als Wohnhaus genutzt. Nur im 2. Stock ist ein Museum eingerichtet. Dunkle Holztreppen, ein Waschbecken im Flur, Balkone nach hinten hinaus. Auch das Krankenzimmer kommt uns nicht gerade komfortabel vor. Das eiserne Bett wirkt unbequem.

Durch die Wachau geht es später an Kloster Melk und Göttweig vorbei. Schließlich fahren wir auf einer stark befahrenen, halbfertigen Autobahn über die österreichisch-tschechische Grenze und erreichen Brünn (Brno) gegen 19 Uhr. Das Holiday Inn, ein großes Tagungshotel, liegt etwas außerhalb der Stadt.

Montag, 5. 9.

Nach einem guten Frühstück beginnt eine literarisch – historische Führung durch die reizvolle Innenstadt von Brünn. Nachmittags besuchen wir noch das nahe gelegene Benediktinerkloster Raigern (Rajhrad) und eine Gedenkstätte für Schrifttum in Mähren. Ein junger Mönch führt uns. Abends sind wir dann zu einer Ausstellungseröffnung in das Brünner Rathaus eingeladen. Die Ausstellung zeigt Portraits deutscher- und tschechischer Persönlichkeiten aus Mähren. Auch Peter Härtling ist darunter zu sehen. Unsere freundliche Reisebegleiterin hatte die Vernissage schon Tage vorher vorbereitet.

Dienstag, den 6.9.

Der erste Tagesausflug beginnt mit einer Busfahrt nach Nikolsburg (Mikulov). Nikolsburg ist eine sehr reizvolle, gut erhaltene historische Stadt. Durch das Zusammentreffen dreier ethnischer Gruppen, Tschechen, Deutsche und seit dem 15. Jahrhundert Juden entstand eine Stadt mit besonderer Prägung. (Sogar der berühmte Rabbi Löw, dessen Grab man in Prag sehen kann, stammt aus der großen jüdischen Gemeinde von Nikolsburg!) Außer der Besichtigung des ehemaligen jüdischen Viertels, der Synagoge und des beeindruckenden, mit hohen Bäumen bewachsenen, an einem Hang gelegenen jüdischen Friedhofs, sehen wir noch die Gruft der Adelsfamilie von Dietrichstein und die prächtige Propsteipfarrkirche in der Stadt. Dann geht es mit dem Bus weiter nach Eisgrub (Lednice) und Feldsberg (Valtice) in ein Areal, das auf der UNESCO-Liste als Weltkulturerbe steht. Schloss Eisgrub, im Stil der Tudor-Gotik, wurde unter den Fürsten Liechtenstein im 19. Jahrhundert erbaut. Zum Abschluss des vollen Programms sind wir zu einer Bootsfahrt auf der Thaya eingeladen. Eine wunderschöne, unberührte Naturlandschaft bezaubert die müden Geister.

Abends finden wir uns dann in der Brünner Bierhalle „Pegas“ ein. Sie ist gut besucht und erinnert an die Prager Bierhallen.

Mittwoch, den 7. 9.

Unser nächster Tagesausflug bringt uns nach Znaim (Znojmo), Frain an der Thaya (Vranov nad Dyjí) und nach Schaffa (šafov). Wir erhalten eine Stadtführung durch das pitoreske Städtchen mit seinen gut erhaltenen gotischen Häuserreihen und besichtigen die romanische Rotunde St. Katharina. Am Nachmittag besuchen wir das Barockschloss Frain an der Thaya, das sehr malerisch auf steilem Felsen steht.

Das Städtchen Schaffa, der Geburtsort des Schriftstellers Ludwig Winder, liegt nicht weit davon entfernt. Wir hören ein hervorragendens Referat über Ludwig Winder, der 1889 hier geboren und 1946 in London gestorben ist. Winder gehörte zum Prager Kreis um Kafka und Max Brod. Der jüdische Friedhof, nahe bei Schaffa, erinnert uns an die Familie von Ludwig Winder.

Auf der Rückfahrt halten wir noch bei der Gedenkstätte Pohrlitz (Pohořelice) an und gedenken der Opfer des „Brünner Todesmarsches“ im Mai 1945 mit 960 Todesopfern. Die meisten Toten waren Frauen und Kinder, kranke- und alte Menschen, die bei diesem 80 Kilometermarsch ihr Leben ließen. Seit einigen Jahren gibt es diese Gedenkstätte in deutscher und tschechischer Sprache und Brünner Bürger gehen mit ihrem Bürgermeister jedes Jahr einmal diesen traurigen Weg zurück.

Donnerstag, den 8.9.

Am Vormittag fahren wir mit dem Bus zu dem Museum Pollau (Pavlov) und danach in eine slawische Burgstätte in Mikulschitz (Mikulčice). In dem sehr gut und modern angelegten Museum wird die weltberühmte Statue der Venus von Wisternitz ausgestellt. Ein beeindruckendes Symbol für weibliche Fruchtbarkeit. Während die altslawische Burgstätte in Mikulschitz eine Begegnung mit dem 9. Jahrhundert und der Zeit des Großmährischen Reiches ermöglichen will. Von hier aus wurde die kyrillische Schrift durch die beiden Slawenapostel Kyrill und Method im Osten eingeführt.

Am späten Nachmittag besuchen wir dann noch das Städtchen Auspitz (Hustopeče), wo die Wiener Schriftstellerin und Dichterin Ilse Tielsch 1929 geboren ist. Bekannt vor allem ist ihr Buch die „Ahnenpyramide“. Ein umfangreiches Werk über die Geschichte ihrer Vorfahren. Interessant fand ich darin vor allem die letzten Kapitel, die sich mit der jüngsten Vergangenheit in der Region um Brünn befassen.

In Groß Pawlowitz (Velké Pavlovice) erinnern wir uns an Rudolf Kassner, 1873 – 1959) einem deutschsprachigen Dichter und Philosophen, der aus diesem Städtchen stammte.

ein altes Foto mit der Synagoge

Besonders schön ist dann die Fahrt durch die malerischen Weinberge bis zu einem freundlichen Weinkeller, wo uns neben der kräftigen Weinjause auch eine mährische Musikergruppe mit Zimbalmusik erwartet. Wir hören die ungewöhnlichen, oft übermütig fröhlich, dann wieder sehr melancholisch klingenden mährischen Weisen, die zum Unterschied von böhmischer oder alpenländischer Volksmusik, eher an ungarische Lieder, Tänze und Rhythmen erinnern. Die vier Musiker spielen und singen dabei sehr lebhaft und mit ansteckender Begeisterung.

Musiker in Südmähren

Freitag, den 9. 9.

Unsere Heimfahrt führt uns über die lieblich geschwungenen, meist bewaldeten böhmisch-mährischen Höhen, bei starkem Straßenverkehr bis nach Teltsch (Telč), dessen historischer Stadtkern zu einem der schönsten Plätze im ganzen Land gehört. Auch Teltsch steht auf der UNESCO-LISTE und dies mit Recht. Nach einer anregenden Mittagspause in einem der netten Laubenlokale, geht die Fahrt über die gut gefüllte Salzburger Autobahn zurück nach München.

Die letzte Nacht verbringen wir wieder in unserem Münchner Hotel, das wir diesmal mit einem Taxi schnell erreichen, bevor wir am nächsten Morgen wieder mit der Bahn in den Norden reisen.

J. A.