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Noch eine alte Liebesgeschichte (Teil 1)

Das Land Mähren

Aus einer völlig anderen Gegend stammt die Familie meiner Mutter. Nämlich aus Mähren dem „wundersamen Land, wo alle irdischen Dinge auf verkehrten Plätzen liegen, so herrlich ausgetauscht und verwunschen und gesegnet durcheinander gerüttelt“, schreibt Lillian Schacherl in ihrem wunderschönen Mähren Buch.

Mähren, das uralte Land der ständigen Reisewege. Von Wien bis nach Prag, nach Dresden, nach Krakau oder auch nach Hamburg, wohl immer führte der Weg durch Mähren.

Mähren, das Land der alten Burgen auf zerklüfteten Höhen, der fruchtbaren Ebenen und der romantischen Weinberge. Das Land, von der mächtigen Donau im Süden begrenzt und von der wilden Thaya und der unberechenbaren March durchflossen. Im Norden reicht das Altvatergebirge (1492 m) bis an das restlich verbliebene Schlesien und an Polen heran.

Slawen und Germanen seien die ersten Einwohner von Mähren einst gewesen. Andere Völker sind im Laufe der Jahrhunderte dazu gekommen. Immer schon hat Mähren als Auffangbecken für verschiedene Minderheiten aus Ungarn und Rumänien, für Juden und Türken, für Mongolen und Roma gedient. Friedliche Siedler und kriegerische Heere, sie alle haben in diesen Gebieten ihre Spuren hinterlassen. Ihre einstigen Freuden- und Leiden spiegeln sich bis heute noch in der alten mährischen Musik wieder.

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Mähren war auch Land der beiden byzantinischen Apostel Kyrill und Method gewesen, die im 9. Jahrhundert aus Thessaloniki kommend, das Christentum von hier aus in die slawischen Länder verbreitet haben.

Der Kaiser aus Wien

Was die verschiedenen Kulturen über Jahrhunderte hinaus aber vereinigen sollte, konnten weder das Christentum noch eine gemeinsame Sprache oder Kultur leisten. Einzig das Kaiserhaus, der Kaiser von Wien (oder auch die Kaiserin Maria Theresia) diente, über alle religiöse und kulturelle Unterschiede hinweg, den Völkern als „gemeinsamer Nenner“ und als höhere Identifikationsfigur. Er war das Bindemittel in dem riesigen Vielvölkerstaat Österreich.

„Der Kaiser ist ein braver Mann, er wohnt im schönen Wien. Und wär es nicht so weit entfernt, so ging ich heut noch hin.“ sangen die Kinder schon in der ersten Klasse, nachdem die Schulpflicht unter Maria Theresia (und Joseph II.) im ganzen Land eingeführt war.

Und wenn wir das Lied des Papageno in der Zauberflöte, „Ein Mädchen oder Weibchen….“ hören, dann kennt man die Melodie zu diesem schlichten Schulanfänger-Lied. Es könnte aber auch wie „Üb immer Treu und Redlichkeit, bis an dein kühles Grab…“. gesungen werden. (So hat sich Mozart wohl in dieser lustigen Arie noch einen zweiten kleinen Scherz erlaubt?)

Die nordmährische Stadt Olmütz übrigens, in der auch der 11 Jährige Mozart bereits aufgetreten war, galt bis ins 17. Jahrhundert hinein als Zentrum des ganzen Landes. Wohin sich nach der großen Revolution von 1848 auch Kaiser Ferdinand I. geflüchtet hatte, um in Olmütz seinem 18 jährigen Neffen, Franz Joseph I. die Regierung zu übergeben.

Später wurde Olmütz durch die südmährische Stadt Brünn abgelöst. (Siehe mein Beitrag über eine Reise mit dem Adalbert Stifter Verein durch Südmähren.)

Bis in den 1. Weltkrieg hinein aber ist das Land Mähren Kronland des Habsburger Kaiserreiches geblieben und war nur dem Kaiser oder der Kaiserin direkt unterstellt.

Zwei Bischöfe aus Mähren

Neben dem Kaiserhaus und einigen böhmischen Königen, spielten auch Bischöfe eine wichtige Rolle in diesem Land. So soll bereits der Olmützer Bischof Bruno von Schaumburg, (1205 bis 1281) als Stellvertreter des böhmischen Königs Přemysl Ottokar II. die Besiedlung des Nordens mit deutschen Familien, vor allem jungen Bergleuten aus dem Harz und aus der Gegend um Hameln gefördert haben. Dazu seien fürstbischöfliche Werber in bunter Kleidung und mit Flötenmusik bis nach Hameln entsandt worden, um die norddeutschen „Landeskinder“ anzuwerben. (Siehe die Sage vom „Rattenfänger von Hameln“, auf tschechisch, vom „Krysař z Hamelnu“!)

Als weiteren wichtigen Bischof möchte ich den Bischof der „Böhmischen Brüder“, den Theologen und Philosophen Comenius (1592-1670) nennen, der in Südostmähren geboren, in Heidelberg studiert und zuletzt wieder nach Mähren zurück gekehrt, großen Einfluss auf die damalige ethische Erziehung hatte. Viele tschechische Schulen tragen noch heute seinen Namen!

Und ein Präsident

Und noch eine Persönlichkeit aus Mähren möchte ich hier anführen, auch wenn sie kein Bischof, sondern ein Philosoph und Dichter war. Denn auch er, der erste Präsident der ersten Tschechoslowakischen Republik, Tomáš G, Masaryk (1850 – 1937), der begabte Sohn eines slowakischen Kutschers und einer deutschen Bauerntochter aus Mähren, hatte das Land nach dem ersten Weltkrieg durch seine politische Philosophie geprägt und wird auch heute noch im tschechischen Volk hochverehrt.

Wenn ich dann endlich zu der Liebesgeschichte meiner mährischen Großeltern komme, so wird es den Leser, nach dieser langen Vorgeschichte nicht mehr wundern, dass beide Großeltern zwar in Mähren geboren sind aber ihre Ausbildung und ihre spätere Jugend in Wien verbracht haben. Denn Wien war die große Metropole, wohin sich jeder junge Mensch der damaligen Zeit wohl sehnte.

J. A.

Der zweite Teil folgt demnächst.

Als Lektüre zu Mähren empfehle ich sehr das Buch „Mähren“ von Lillian Schacherl, erschienen im Prestel Verlag München und das Buch „Die Ahnen Pyramide“ von Ilse Tielsch, erschienen bei Styria.