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Das Traumcafé der Dichterin – oder – es begann mit Sarah Kirsch

Es begann an einem regnerischen Nachmittag im Mai 2013. Ich hatte mir zu meinem Geburtstag mehrere Freundinnen eingeladen.

Nach dem Kaffee kamen wir auch auf Sarah Kirsch zu sprechen. Einige Jahre lang hatte diese bekannte Lyrikerin mit ihrer Familie fast nebenen, in einem kleinen bäuerlichen Ausgedingehaus gelebt. Nun war sie vor wenigen Tagen verstorben.

Das Haus konnte man gut von unserem Haus aus sehen. Hinter dem Häuschen begann ihr Zaubergarten. Alte Rosensorten mit faustgroßen Blütenköpfen, Vergissmeinnicht wie blaue Kissen, Steinnelken, Iris, Lavendel und im Herbst blühten dort die schönsten Astern und Dahlien. Dazwischen gab es auch Beete mit Gemüse und Kräutern. Ein Dichtergarten war in einer kurzer Zeit entstanden, ein Garten, wie aus einem Märchen.

Der kürzeste Weg dahin führte über eine Wiese, wo der Bauer manchmal seine Pferde grasen ließ.

Ich zeigte den Freundinnen die Stelle, an der wir immer über den Zaun gestiegen waren, um uns häufig zu besuchen.

Und wir sprachen von ihrem unerwarteten Tod.

Nicht in Tielenhemme sei sie gestorben sondern in Heide, wie mir Sohn Moritz am Telefon erzählte. Sie hatte lange nichts mehr von sich hören lassen. Keine Briefe mehr beantwortet. Man sollte nicht wissen, wie es ihr ging. Sie selber wollte ihre Krankheit nicht beachten.

Zur Erinnerung, holte ich jetzt den dicken Ordner mit ihren kalligraphisch geschriebenen Briefen hervor. Zehn Jahre lang hatten wir uns damals geschrieben…

So blickten wir jetzt in diese Mappe und lasen uns abwechselnd die Briefe vor. Wir freuten uns an ihren köstlich formulierten Sätzen. Humorvoll, ehrlich, kernig und warmherzig klangen sie, wie man es auch aus ihren Gedichten heraus hören kann.

Als wir uns beim nächsten Mal zum Kaffee trafen, lasen wir noch weitere Gedichte von Sarah Kirsach vor – und beschlossen, uns regelmäßig als Lese-Kreis zu treffen.

Viele neue Schriftsteller und Dichter haben wir seither vorgestellt. Es macht einfach Spaß über seine neuesten Lektüren zu berichten und weitere Leseideen zu erhalten. Fast zehn Jahre sind seither vergangen. Das „Café der großen Dichterin“  aber existiert immer noch.

J. A.

P. S. Sarah Kirsch, geb. am 16. April 1935 ist am 5. Mai 2013 gestorben

1. Sarah Kirsch vor ihrem Haus, einer alten Schule in Tielenhemme an der Eider (1984?)

2. Bei Sarah und Wolfgang von Schweinitz in Tielenhemme

* Der Titel des Beitrags soll an eines der letzten Bücher von Lenka Reinerová erinnern. In ihrem Buch „Das Traumcafè einer Pragerin“ , stellt sie sich ihre längst verstorbenen Dichterfreunde aus Prag noch einmal vor.

Mein Briefwechsel mit Sarah Kirsch befindet sich inzwischen im Marbacher Archiv