Erzählungen

Die Montagsdame

Jeden Montagmorgen stieg sie in unseren Bus; eine zierliche alte Dame in einer grünen Lodenjacke. Graumeliertes Haar, eine dunkel umrandete Brille, die Nase ein Wenig stupsig.

Bis heute ist mir ihre Erscheinung in Erinnerung geblieben. Manchmal trug sie noch einen breitkrempigen roten Hut, der überhaupt nicht zu der übrigen Kleidung passte. Wenn sie den knalligen Hut auf hatte, waren auch ihre Lippen rot gemalt. Sie lachte gern und wirkte in sich zufrieden und heiter.

Wie gesagt, immer montags kam sie, gerade noch im letzten Moment. Umständlich sich festhaltend beim Einsteigen. Gemächlich entwertete sie dann ihre geknickte Streifenkarte, die sie achtlos in die Jackentasche oder in ihre große braune Handtasche steckte.

Inzwischen war es Herbst geworden und die alte Dame trug einen dickeren Lodenmantel und Handschuhe, sowie einen bunten, gestrickten Schal.

Allmählich fragte ich mich, wem diese regelmäßigen Besuche der alten Dame wohl gelten könnten? Ob die Dame vielleicht einen Sprachkurs für Senioren besuchte? Oder ob sie als Grüne Dame tätig war? Vielleicht ging sie auch nur jeden Montag zum Arzt oder in die Sauna? Oder sie traf einen alten Verehrer?

Einmal, als sie wieder sehr knapp in der Zeit war und sich atemlos auf einem Sitz niedergelassen hatte, fiel ihr ein Schlüssel aus der halb geöffneten Tasche.

Ich bückte mich schneller als sie und gab ihn ihr zurück. „Schönen Dank!“, lachte sie da,“Wenn ich diesen Schlüssel verlier, beißt mir meine Schwiegertochter den Kopf ab!“

„Oh, da fahren sie wohl immer als Babysitter zu Ihren Enkelkindern?“ das Rätsel schien gelöst zu sein.

Aber die alte Dame schüttelte nur lächelnd den Kopf. „Nein, nein,“ raunte sie mir dann ins Ohr, „Meine Enkelkinder sind schon längst aus dem Haus. Ich muss nur am Montag immer in die Wohnung fahren und ein Bisschen aufräumen, weil am Dienstag die Putzfrau kommt!“.