Mein erster Schultag in Gauting
„Du bist bei uns gar nicht angemeldet!“, sagte Herr Maier „Du gehörst sicher in die katholische Schule?“
Es war der Einschulungstag für uns Erstklässler. Darum stand ich nun in dieser winzigen evangelischen Schule. Am Rücken baumelte ein runder Tafelschwamm vom Schulranzen. Und an der Hand hielt ich meine beste Freundin.
Wie Zwillinge würden wir aussehen: Der gleiche Rock, die gleiche Schleife im Haar. Hatten wir doch beide auch die gleichen Locken und die braunen Augen. Ihre Haare waren allerdings heller als meine. Aber das Gesicht doch zum Verwechseln ähnlich, wie die Leute sagten.
„Seid Ihr wohl Schwestern?“ wurden wir oft gefragt, wenn wir zusammen durch den Ort gingen.
Unsere Familien stammten beide aus Nordmähren. Jedenfalls der mütterliche Zweig. Und in der neuen Siedlung trennte uns nur der Zaun.
„Wie heißt du?“ hatte ich das kleine blonde Mädchen gefragt. „Willst du mit mir spielen?“
Dieses Zauberwort verwandelte uns zu Schwestern! Darum wollten wir auch gemeinsam in die Schule gehen. Unsere Eltern hatten nichts dagegen. Allerdings sollte es die evangelische Schule sein. Weil die Familie meiner Freundin zu dieser Kirche gehörte.
Ich jedoch war katholisch.
Darum mussten wir uns trennen. Ich wischte mir die Tränen von den Wangen. Auch Herr Maier konnte nicht helfen. Er war der Lehrer an dieser Schule. Lehrer in einem Klassenraum mit etwa 18 Kindern. Jungen und Mädchen, alle Jahrgänge in einer Klasse.
Meine Freundin durfte sich dann nach vorne setzen. Direkt vor das Lehrer-Pult und vor die schwarze Tafel. Seitlich stand noch ein alter Eisenofen, der jetzt nicht beheizt war. Und an der Wand konnte man die Bilder und Basteleien von Kindern sehen
Die katholische Schule lag eine gute Strecke entfernt. Breite Steinstufen führten zu der breiten Eingangstür. Die hohen Fenster waren durch Sprossen geteilt. Und an den gelb verputzten Wänden rankten Spalierbirnen.
Hastig klopfte meine Mutter an eine Tür im Erdgeschoß. Wie waren fast eine Stunde zu spät! Eine blonde junge Frau öffnete. In ihren Armen hing ein silbernes Akkordeon mit vielen Tasten und Bässen. „Kommen Sie herein!“ rief sie munter. „Du bist sicher die vermisste Hanni?“ wandte sie sich an mich. „Komm, wir lernen gerade ein Begrüßungs Lied!“
„Komm Schöpfer Geist, kehr bei uns ein, besuch‘ das Herz der Kinder dein.“
„Wir beten nämlich immer, bevor die Schule beginnt.“ erklärte die Lehrerin. „Und der Text passt gut zum Schulanfang!“
Am Schluss sollten sich alle Kinder an den Händen fassen und gemeinsam verabschieden. Und ich durfte mir für den nächsten Tag einen Platz aussuchen.
Rechts saßen die Mädchen, links war die Reihe der Buben. Vorne das Lehrer-Pult, daneben die Tafel, eine Glasvitrine und ein Abfallkorb.
Alles war hier größer und heller als in der evangelischen Schule. Und an der Wand hing seitlich ein Kruzifix.
Schließlich entdeckte ich unter den Kindern einen Pentenrieder Jungen. Er hieß Edgar. Schnell setzte ich mich neben ihn, mitten in die Jungenreihe.
Am Nachmittag schenkte mir meine Mutter eine selbst geklebte Schultüte. Die Tüte war mit Birnen und Süßigkeiten gefüllt.
Mein erster Schultag war etwas ungewöhnlich verlaufen. Und die getrennten Konfessions-Schulen weichten auch bald die alte Freundschaft auf. Es gab andere Kinder, mit denen man jetzt spielen konnte.
Erst im Teenageralter durften wir, in der überkonfessionellen Schule, doch noch nebeneinander sitzen.
„Seid ihr wohl Schwestern?“ fragten uns die Leute.
J. A.
Klasenfoto 1. Klasse vor der Ausdünnung, mit Fräulein Singer als Vertretung von Fräulein Winkler
P. S. Die freundliche junge Lehrerin hieß Fräulein Winkler, später Frau Hofmann. Von ihr werde ich sicher noch erzählen.
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„Du bist bei uns gar nicht angemeldet!“, sagte Herr Maier „Du gehörst sicher in die katholische Schule?“
Es war der Einschulungstag für uns Erstklässler. Darum stand ich nun in dieser winzigen evangelischen Schule. Am Rücken baumelte ein runder Tafelschwamm vom Schulranzen. Und an der Hand hielt ich meine beste Freundin.
Wie Zwillinge würden wir aussehen: Der gleiche Rock, die gleiche Schleife im Haar. Hatten wir doch beide auch die gleichen Locken und die braunen Augen. Ihre Haare waren allerdings heller als meine. Aber das Gesicht doch zum Verwechseln ähnlich, wie die Leute sagten.
„Seid Ihr wohl Schwestern?“ wurden wir oft gefragt, wenn wir zusammen durch den Ort gingen.
Unsere Familien stammten beide aus Nordmähren. Jedenfalls der mütterliche Zweig. Und in der neuen Siedlung trennte uns nur der Zaun.
„Wie heißt du?“ hatte ich das kleine blonde Mädchen gefragt. „Willst du mit mir spielen?“
Dieses Zauberwort verwandelte uns zu Schwestern! Darum wollten wir auch gemeinsam in die Schule gehen. Unsere Eltern hatten nichts dagegen. Allerdings sollte es die evangelische Schule sein. Weil die Familie meiner Freundin zu dieser Kirche gehörte.
Ich jedoch war katholisch.
Darum mussten wir uns trennen. Ich wischte mir die Tränen von den Wangen. Auch Herr Maier konnte nicht helfen. Er war der Lehrer an dieser Schule. Lehrer in einem Klassenraum mit etwa 18 Kindern. Jungen und Mädchen, alle Jahrgänge in einer Klasse.
Meine Freundin durfte sich dann nach vorne setzen. Direkt vor das Lehrer-Pult und vor die schwarze Tafel. Seitlich stand noch ein alter Eisenofen, der jetzt nicht beheizt war. Und an der Wand konnte man die Bilder und Basteleien von Kindern sehen
Die katholische Schule lag eine gute Strecke entfernt. Breite Steinstufen führten zu der breiten Eingangstür. Die hohen Fenster waren durch Sprossen geteilt. Und an den gelb verputzten Wänden rankten Spalierbirnen.
Hastig klopfte meine Mutter an eine Tür im Erdgeschoß. Wie waren fast eine Stunde zu spät! Eine blonde junge Frau öffnete. In ihren Armen hing ein silbernes Akkordeon mit vielen Tasten und Bässen. „Kommen Sie herein!“ rief sie munter. „Du bist sicher die vermisste Hanni?“ wandte sie sich an mich. „Komm, wir lernen gerade ein Begrüßungs Lied!“
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„Wir beten nämlich immer, bevor die Schule beginnt.“ erklärte die Lehrerin. „Und der Text passt gut zum Schulanfang!“
Am Schluss sollten sich alle Kinder an den Händen fassen und gemeinsam verabschieden. Und ich durfte mir für den nächsten Tag einen Platz aussuchen.
Rechts saßen die Mädchen, links war die Reihe der Buben. Vorne das Lehrer-Pult, daneben die Tafel, eine Glasvitrine und ein Abfallkorb.
Alles war hier größer und heller als in der evangelischen Schule. Und an der Wand hing seitlich ein Kruzifix.
Schließlich entdeckte ich unter den Kindern einen Pentenrieder Jungen. Er hieß Edgar. Schnell setzte ich mich neben ihn, mitten in die Jungenreihe.
Am Nachmittag schenkte mir meine Mutter eine selbst geklebte Schultüte. Die Tüte war mit Birnen und Süßigkeiten gefüllt.
Mein erster Schultag war etwas ungewöhnlich verlaufen. Und die getrennten Konfessions-Schulen weichten auch bald die alte Freundschaft auf. Es gab andere Kinder, mit denen man jetzt spielen konnte.
Erst im Teenageralter durften wir, in der überkonfessionellen Schule, doch noch nebeneinander sitzen.
„Seid ihr wohl Schwestern?“ fragten uns die Leute.
J. A.
Klasenfoto 1. Klasse vor der Ausdünnung, mit Fräulein Singer als Vertretung von Fräulein Winkler
P. S. Die freundliche junge Lehrerin hieß Fräulein Winkler, später Frau Hofmann. Von ihr werde ich sicher noch erzählen.
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