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Fabelhafte Rebellen – ein Brief zu dem Buch von Andrea Wulf

Meine liebe H. ,

nun seid Ihr sicher von euer schönen Reise heim gekehrt und das dicke Buch von Andrea Wulf hast Du vermutlich auch bereits ausgelesen? Ich hatte mir diesen „dicken Schinken“ gleich gekauft und bedanke mich für deinen tollen Lese-Tipp!

Anfangs gefiel mir der Stil im Buch allerdings nicht so gut; er kam mir eher journalistisch vor. Je weiter ich dann in den Inhalt vordrang, desto mehr interessierte er mich. Es wird nicht nur die Zeit des 18. und 19. Jahrhunderts, die Schinkelzeit, wie sie Ernst Heilborn nennt  geschildert, sondern vor allem die Erfindung des Ich erzählt. Was  später von Martin Buber beschrieben wird: Nämlich „das eigene Ich – und dann das Ich im Du“ zu entdecken, um das Gefühl der Empathie gegenüber den Menschen und der Natur entwickeln zu können! Diese Erkenntnis wäre dann wohl schon der freien Jenaer Universitäts-Luft zu verdanken! Hier vor allem durch Fichte, Goethe, Schleiermacher und Schiller. Aber auch einigen Frauen, wie Caroline Schelling und Caroline von Humboldt. (Obwohl mir dazu noch die jüdischen Salons fehlen, wie von Henriette Herz und vor allem Rahel Varnhagen.)

Interessant finde ich auch, dass sich die Romantiker um Novalis, den ich sehr mag, mit den aufgeklärten Naturwissenschaftlern jener Zeit, wie Goethe, Alexander von Humboldt oder auch Schelling dennoch  vertrugen.

Dass diese Künstler-Kolonien mit ihrer recht freien Liebe und in großer „wahlverwandtschaftlicher Nähe“ nicht ewig hielten, mag genau an der erwünschten Individualisierung der emanzipierten Mitglieder gelegen haben? Vielleicht auch an anderen Einflüssen. Jedenfalls gab es in der späteren Künstlerkolonie von Worpswede – oder auch in Murnau und Dessau ja auch kein längeres Fortbestehen.

Auf alle Fälle gibt mir das Buch viel zu denken und nachzuschlagen und ich bedanke mich herzlich und wünsche euch einen schönen Sonntag!

Deine alte Freundin

J. A.

Lese – Empfehlungen

Andrea Wulf Fabelhafte Rebellen. Die frühen Romantiker und die Erfindung des Ich. Bertelsmann

Ernst Herborn Zwischen zwei Revolutionen. Der Geist der Schinkelzeit. Otto Elsner Verlag – Berlin

Martin Buber Ich und Du. Gütersloher Verlagshaus

Nicht zuletzt möchte ich auf die Bibel hinweisen. Wo das Ich im Du im Liebesgebot schon längst erkannt ist. Du sollst deinen Nächsten lieben….denn er ist wie du! (Tanach Lev. 19,18 oder Matthäus 22,39)

2 Kommentare

  1. Liebe J. !
    Das freut mich-der Funke ist übergesprungen und nun geistern in unseren Köpfen diese spannenden Geschichten! Am Schönsten wäre es jetzt, wenn wir leibhaftig diskutieren könnten!
    Servus!
    H. P.

    • Ja, liebe H., ein persönliches Gespräch wäre freilich noch schöner! Aber ich bedanke mich auch für deine nette Antwortmail! Liebe Grüße und Servus! Deine J. A.

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